Der Verkauf einiger Springer-Titel an die Funke-Gruppe hat die Debatte neu entfacht: Hat Print eine Zukunft? Zumindest was die deutschen Tageszeitungen angeht, bin ich sehr pessimistisch. Die Fakten:
- Die Auflagenzahlen der deutschen Tageszeitungen sind seit Jahren im Sinkflug.
- An vielen deutschen Gymnasien haben die Familien der Schüler längst keine Tageszeitung mehr im Abo.
- Jugendliche verbringen weniger als zwei Prozent ihrer Online-Zeit mit dem Nachrichtenlesen, aber 25 Prozent in sozialen Netzwerken.
- Schon seit Jahrzehnten – seit dem Aufkommen der privaten Fernseh- und Hörfunksender – mahnen Journalisten, die Tageszeitungen müssten ihr Konzept überdenken: Es reiche nicht mehr, die Nachrichten von gestern auf die Titelseite zu heben. Wolf Schneider und Paul Josef Raue schreiben in ihrem “Handbuch des Journalismus” von 1998:
Fast ein halbes Jahrhundert nach der ersten Tagesschau tun die meisten Zeitungen immer noch so, als ob es kein Fernsehen gäbe.
Mit dem Aufkommen des Internets und dessen rasanter Entwicklung hat sich diese Situation für die Tageszeitungen noch verschärft: Sie hecheln den Neuigkeiten bloß hinterher, wenn sie nicht verstärkt auf Regionales, Kommentar und Hintergrundberichterstattung setzen. Und es wirkt sehr anachronistisch, wenn auf dem Print-Titel der Süddeutschen Zeitung immer noch der Claim steht: “Neueste Nachrichten”. (Was schon immer blödsinnig klang, weil Nachrichten immer neu sein sollten!)
Wie haben die Tageszeitungen auf diese Entwicklungen reagiert?
Unterschiedlich, aber in der Regel ungenügend. Old News bestimmen noch immer die Aufmacherseiten der meisten Tageszeitungen. Die Internetauftritte ähneln denen aus den Anfangszeiten des Web, Mitte der 90er Jahre. Wahrscheinlich weil sie seitdem auch nicht mehr verändert worden sind. Multimedialität und Interaktivität beschränken sich meist auf ein paar schlecht gedrehte Videoclips. (Zu den wenigen Ausnahmen gehören die HNA und die Rhein-Zeitung, die kürzlich ihr vielbeachtetes Multimediales Dossier “Arabellion” ins Netz gestellt hat, die deutsche Antwort auf das Dossier “Snowfall” der New York Times.) Wie aber sollen mit altertümlichen Online-Auftritten Jugendliche angelockt werden, die den Print-Produkten längst den Rücken gekehrt haben?
Um es einmal klar zu sagen: Ich mache den Tageszeitungsredakteuren keinen Vorwurf. Die meisten sind sowohl für die Printausgabe ihrer Zeitung als auch für den Webauftritt verantwortlich – und damit nicht nur zeitlich überfordert.
Vielmehr werfe ich den deutschen Tageszeitungsverlagen vor:
- dass den Verlagsleitern und Chefredakteuren offenbar oft die Ideen oder der Mut fehlen, angemessen auf die Krise der Tageszeitungen zu reagieren.
- dass sie Tageszeitungen für die 50+-jährigen machen und dabei die Jugendlichen mit ihrem völlig anderen Kommunikationsverhalten und ihrer völlig anderen Art, sich Wissen anzueignen, übergehen
- dass sie ihre Redakteure durch Mehrfachbelastungen überfordern: Wenn die Tageszeitungsredakteure für die Printausgabe schreiben, recherchieren, die Seiten layouten, die Zeit mit Konferenzen totschlagen müssen und gleichzeitig auch noch einen erstklassigen Web-Auftritt hinbekommen sollen, dann kann das nicht gutgehen.
- dass sie ihren Redakteuren zu wenig Fortbildungen im Bereich “Produzieren fürs Web” ermöglichen.
Vor dem Hintergrund dieser Debatte um die Zukunft der Tageszeitungen bin ich auf ein interessantes Zitat des Kollegen Janko Tietz auf der Medien-Plattform Vocer gestoßen. Er sagt, es sei ein Irrglaube, das Print-Geschäft sei tot. Seine Prognose:
Auch in zwanzig Jahren werden die Menschen noch Zeitung lesen, werden sich in ihren Regionalausgaben informieren, welcher Eckladen schließt, wie die Öffnungszeiten des Freibades sind, welcher Künstler in der Stadt auftritt.
Der Wirklichkeit näher kommt allerdings die Replik des Kollegen Stefan Niggemeier. Die Quintessenz: Die von Tietz angeführten Beispiele tauchten schon heute kaum noch in den Tageszeitungen als Informationen auf. Wer sich darüber informieren wolle, suche danach im Netz. Es lohnt sich übrigens den gesamten Artikel von Niggemeier zu lesen – und die Kommentare dazu.
Obwohl ein Blick in die Kristallkugel immer riskant ist, bin ich überzeugt: Die gedruckten Tageszeitungen sind nicht mehr zu retten. Sie sind längst tot. Deshalb sollten wir uns schnellstens damit befassen, wie wir Jugendliche dazu bringen können, sich (wieder) mit journalistischen Texten zu befassen: im Web und mobil – mit Smartphone und Tablet-PC. Damit sie unsere Leser von morgen werden.
Ein Gedanke zu „Die gedruckten Tageszeitungen sind längst tot“
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